Freitag, 3. Juli 2015

30°C im Schatten

Er hätte sich so sehr gewünscht nur ein einziges Mal bei seinem Mädchen bleiben zu können -
stattdessen steht dort oben, hoch am Himmel, fett und faul, randvoll angelaufen mit dunkelgelbem Erbrochenem, das niemals blinzelnde, abartig hinabstarrende Zyklopenauge, das durch den wolkenleeren Sommernachtshimmel, das verschmierte Glas der Fensterscheibe und die löchrigen Vorhänge hindurch, in seiner bleichen, dürren Brust zündelt und sticht, wütet und tobt, bis ihn der bohrend lodernde Schmerz in einem unhörbaren Knall aus dem Liegen in die Senkrechte reißt.
Die nur halbherzig gedimmten Deckenlampen brennen sich in seine Netzhaut und das andauernde Dröhnen des nutzlosen Lüfters zerschneidet jeden aufkeimenden Gedankenstrang in seine sich blutend auf dem Boden der Hirnrinde windenden Einzelteile.
Irgendetwas in ihm erwacht, verfängt sich hilflos in sich selbst, läuft bei dem Versuch, zu erkennen, was es ist, langsam zu Staub zerfallend, blau an, um dann, aus den eigenen Überresten heraus, erneut zu einem sich selbst zerfleischenden Gordischen Knoten zu erwachsen.
Er sitzt, die hässlich abgekauten Fingernägel tief in sein Gesichtsfleisch krallend, auf der nassgeschwitzten Bettkante und versucht, aus Angst vor brechenden Halswirbeln vergeblich, den sich sonst viel zu heftig schüttelnden Kopf zum Stillstand zu zwingen.
Er steht zitternd auf, stellt sich an den Schreibtisch, schreibt ihr unleserliche Notizen, die er zerknüllt und verstaut bis er es vollkommen willkürlich bei einer letzten belässt, die er ihr vorsichtig neben dem schlafenden Kopf deponiert.
Es gibt für ihn nichts Schöneres, als zu sehen, wie sie schläft, doch der Wahnsinn peitscht ihn vor die Tür, treibt ihn weg von ihr.
Als er das Gaspedal durchtritt, schreit ihn, beim Blick in den Rückspiegel, der zügellos geifernde, vor Geilheit sabbernde Wunsch an, den Wagen um den nächstbesten Baum zu wickeln -
und es hätte wirklich noch eine schöne Nacht werden können, doch er legt beide Hände ganz ruhig zurück auf das Lenkrad, fährt ohne Umwege nach Hause, schließt, wie sonst auch, die Haustür auf, legt sich in sein Bett, betrachtet aus weiter Ferne die eigene Taubheit und wartet schweigend ab, bis der erschöpfte Körper irgendwann in den Morgenstunden aufhört Signale an die Synapsen zu senden.