Sonntag, 11. Dezember 2016

Abschied

Der scheiternde Versuch eines Perspektivwechsels wirft mich auf mich selbst zurück – da ist kein Du mehr, bloß noch Ich, in mir; nur noch in meinem Kopf und meinen Texten beschwöre ich wieder und wieder ein Wir, das nach und nach dann doch verblasst:

Die Eule der Minerva beginnt erst spät am Abend ihren Flug, genau wie ich, der lange braucht sich zu verlieben, lange braucht sich dann zu lösen – hab' mir geschworen, ich werd' nie mehr der Mann, der ich vor Dir war, doch dieses fast vergessene, widerwärtig mich durchziehende Gefühl ist plötzlich wieder da – seh' keinen Sinn in diesem Leben, treibe einfach so dahin; und es fällt mir schwer mich einzulassen, auf die Einsamkeit, die, bevor Du da warst, doch so lange mein Begleiter war.

Samstagabend, die Airmax schweben auf Asphalt – gottverdammte Scheiße, hab's schon wieder nicht geschafft mich auch nur ein einziges Wochenende am Riemen zu reißen – zum Frühstück Tee und Downer.
Meine Rückwärtsgewandtheit hält mich fest, zerrt wie wild an mir – und doch muss ich erneut den Blick in Richtung Zukunft zwingen: für mich das Schwerste auf der Welt.
Und ich merke wie mein Innerstes sich zaghaft von Dir löst, weil widerwillig doch erkennt, dass es Zeit ist frei zu sein.

Du fehlst mir. Die Zeit mit Dir war schön. –
Und doch versuche ich, im Gegensatz zu sonst, das Ende alles Guten nicht als dessen Tod zu sehen, sondern glücklich zu sein über die wirklich schöne Zeit, die ich mit Dir verbringen durfte.

Donnerstag, 1. Dezember 2016

Denken heißt Überschreiten

Ich spüre wie der Winter kommt, ich nach und nach mit der ehemaligen Hauptstadt verwachse, die erhaben und träge am Rhein liegt, wie damals Marlene Dietrich, in ihrem Pariser Appartement: aufgequollen und zerfallen, sediert von starkem Schnaps  – ein letztes stures Festbeißen an einem verblichenen Mythos.
Der Nachtbus rollt, so übermüdet als wäre er Sisyphos selbst, in Richtung Rheinaue, in der ich, in gar nicht allzu lang vergang'nen Jugendtagen, Wochenende für Wochenende, mit Freunden auf Parkbänken sitzend in verschmierten Sonnenaufgängen versank, die das Siebengebirge und den Post-Tower so seltsam golden leuchten ließen, wie eingewickelt in Roche-Papier – am klaren Nachthimmel ein gierig gelber Vollmond, dem grellen Lichtkegel eines riesigen Scheinwerfers gleich, der mittlerweile komplett kahle Baumalleen in ölig-weiches Licht eintaucht.
Und ich fühl mich dieser Stadt und ihrer Historizität so merkwürdig verbunden – hin- und hergerissen, wie einst Ost- und Westberlin – doch bisher ohne Mauerfall, ohne innere Synthese. Und das Alleinsein in der Wohnung, das Alleinsein in der Stadt, erschließt mir eine seltsam allgemeine Einsamkeit, die ja letztlich doch in jedem tobt, sich niemals ganz totschlagen lässt.
Und der Wandel der Dinge lässt mich ratlos zurück: hegel'sche Vernunft in der Geschichte? – ein müder, alter Witz: im alten Diplomatenviertel werden Kinder totgetreten, direkt neben den dunkelgrünen Gräsern des Kurparks, die währenddessen im schneidend kalten Wind durch die Gegend oszillieren, wie bipolare Janusköpfe.
Und wird mir das ewig gleiche Weiß der Wände mal unerwartet doch zu viel, fahr ich tatsächlich auf den Weihnachtsmarkt – und hier, zwischen Gruppen junger Menschen, die ihr Leben im Griff zu haben glauben; achtzehnfach geklonten blond-blonden Prinzessinnen; japanischen Touristen und Jack & Jones Spacko-Jacken tragenden BWL-Affen, kann ich seltsam einfach untertauchen; rumglühweintrinkend in die Meute starren und mich dabei verwundert fragen:
Meint ihr das alles wirklich ernst?