Mittwoch, 16. September 2020

Kurze Bestandsaufnahme II

Ich hab' seit Wochen keinen Text geschrieben.
Die Fenster sind verschmiert,
dahinter: Abendsonnenstrahlen,
die sich in den schwarzen Autodächern spiegeln,
und die Fassade gegenüber
evoziert Sehnsucht nach dem, was, gut versteckt,
dahinter scheint:
Der Strand? Die Freiheit? Das Absolute?
Die Schichten meiner Wahrnehmung
– eine Orangenhaut aus Glas –
haben abgeblüht und welken grau.

Heute Morgen bin ich wach geworden und musste
unvermittelt daran denken,
wie ich meinen Großvater zum letzten Mal gesehen,
ihm die Hosenträger über die Schultern gezogen und 
beim Aus-dem-Garten-Hinken hinterhergerufen habe:
»Pass bitte auf Dich auf, ja?!«

Jetzt steh' ich barfuß in der Küche und
denk' darüber nach, dass
manche Wunden eben blutig bleiben.