Samstag, 27. Mai 2017

Happy Birthday to Myself

Meine Selbstgenügsamkeit bäumt sich auf und geht entzwei. Vorhin, durch die Innenstadt wankend, erhob sich stumm das halb zerfall'ne Bahnhofsgebäude vor dem grellen Sichelmond und Du hast Dich über mich gewundert, weil ich meinte, ich hätte einfach diese rauschhaft-schöne Sicht auf alle Dinge und auf alle Menschen, die mich, wenn ich einmal ehrlich bin, wohl meist vor schlimmerem bewahrt.
Und ich spreche trotzdem mittlerweile mehr darüber, wie ich fühle, was ich für wirre Dinge denke.
So absurd versunken in mir selbst, unangreifbar, ganz allein. Und es ist so unerträglich dumm, doch im Nachhinein tut es mir leid, Dich nicht genug geliebt zu haben.
Ein paar Vögel zwitschern leise, die Stadt wacht langsam auf. In der Wohnung über mir stampft jemand rum. Das Laptop-Display blendet. Ich muss mich selbst zum Schreiben zwingen.
Meine Kälte artet aus – manchmal hab ich Angst vor mir.

Dienstag, 16. Mai 2017

Vorsommer II

Ständig ärgere ich mich über mich selbst, weil ich schon wieder zu warm angezogen bin.
Morgens wach ich zu spät auf, verpasse Vorlesung und Seminar,
dunkle Träume hallen Stunden nach;
doch das letzte Jahr des Studiums fühlt sich seltsam heimisch an:
In der Innenstadt werde ich oft gegrüßt, lache nett und nicke kurz.

Auf der Hofgartenwiese liegend, mit dem Grün des Gras verwachsend,
lässt die Allergie die Augen jucken und Mückenschwärme tanzen wild,
eine leere Flasche Bier liegt neben meinem Rucksack rum
und blonde Mädchen kichern blöd, strecken träge ihre Arme aus.

Ich rede leise mit mir selbst, habe Angst vor irgendwas.

Vorsommer I

Die neue Wohnung fühlt sich direkt wie zuhause an
Nachts leuchten golden die Laternen Bonns
Meine Haare hängen im Gesicht herum
Der Kühlschrank voll mit Bier.

Freitag, 12. Mai 2017

Europa: Eine kritische Bestandsaufnahme

Es fällt mir überraschend schwer über Europa zu schreiben: seltsam bezugslos, befremdlich kalt, sehe ich mich diesem abstrakt-großen Gegenstand gegenübergestellt, dessen derzeit übersteigerte Wichtigkeit mir Tag für Tag verständlich gemacht werden soll.

Zuallererst denke ich, dass kein Gegenstand dieser Welt es nicht wert wäre kritisiert zu werden; dass Erhaltungswürdigkeit, soll sie nicht als leeres Wort fungieren, sich als solche zu beweisen hat.

Und Europa – nur weil Dich dieselben Menschen hassen, die ich für ihren Hass verachte, sind wir beide leider keine Freunde; nur weil eine ach so aufgeklärte Jugend, in einem spontanen Anfall unbeholfener Re-Politisierung, ihre Apathie vermeintlich überwindend, den diesmal endgültigen Untergang des Abendlandes drohend am Horizont heraufziehen sieht, erschließt sich mir nicht ganz, wie dies das pawlowsch-reflexhafte Verfassen schmerzhaft kitschtriefender Lobeshymnen auf deine heilige Unfehlbarkeit begründen könnte.

Ja, Gemeinschaft ist als Mensch das Höchste: nur gemeinsam, als gleichsam Anerkannte, sind wir frei. Und nein, ich glaube nicht, dass die sogenannten ,,westlichen Werte’’ bloß irgend-relativierbare Propaganda-Chimären von temporärer Wahrheit wären.
Doch der Angst vor dem Zerfall aller europäischer Gemeinsamkeit geht die Frage nach Substanz voraus:
Wie dicht sind die Netze, die zu reißen drohen, wieviel Last vermögen sie zu tragen?
Welchen Sinn macht subjektives Klagen, jenseits jeden Reflexionsniveaus?
Wem nützt blinde Emotion, aus einer unbestimmten Furcht heraus, man könnte uns die Freiheit nehmen, die, wenn wir einmal ehrlich sind, noch nicht mal hier für jeden gilt?

Als Kind des Friedens weiß ich nicht, was Pazifismus heißt.
Als Kind des Wohlstands ist mir Armut fremd.
Als Kind der Freiheit, Tyrannei ein leeres Wort.

Und wenn Europa genau das bedeutet:
Frieden, Wohlstand und Freiheit – für jeden Einzelnen – in ehrlich anerkannter Einigkeit:
dann bin ich Europäer, dann weiß ich jetzt, wovon ich schreibe.

Doch diesem Europa, das wir uns so gern erträumten, gilt es – vor allem durch Kritik – endlich Leben einzuhauchen; es aufzuwecken; es durchs Hinterfragen wahr zu machen;
denn kein simples Hinnehmen des Gegebenen, das bloß im Bedrohtsein kurz erträglich scheint, wird in der Lage sein dieses Europa über sich hinauszutreiben:
in eine wahrhaft freie Welt, fern von Herrschaftszwang und Ungleichheit.

Donnerstag, 4. Mai 2017

Anfang Mai

Verkatert in Bonn, der graue Himmel liegt uferlos und träge über der Stadt. Ich hänge kreidebleich in irgendwelchen Hörsälen, zitt're hektisch, gierig Wasser trinkend, beim vergeblichen Versuch, nicht allzu schnell zu kotzen. Die Deckenlampe flackert, wütend knackt die Heizung; das dunkle Holz der Wände starrt mich unversöhnlich an. Und das Einzige, was mich bei Laune hält, sind wieder mal die viel zu vielen, viel zu schönen großen blonden dürren Mädchen, mit ihren hochgesteckten Haaren und traurig-wachen Augen, in schön geschwung'ner Schrift mitschreibend, in Richtung altem Herrn Professor strahlend.

Hybris

Ich hab mich an der Schärfe meines Denkens wundgeschnitten,
bin ein entstelltes, scheues Kind,
Menschen hinter Milchglasscheiben.

Mittwoch, 3. Mai 2017

Sonntagsfrühstück II

Schon wieder besoffen in der Landesbibliothek,
Kopf gesenkt, heimlich meine Fahne schwenkend,
Adorno, Hegel, Kafka lesend.
Die Dinge sind jetzt wieder schön,
Häuserschluchten ragen gierig Richtung Himmel,
die Stadt erstrahlt in sattem Gold.

Der Frühlingsregen spült den Dreck von allen Straßen,
spült den Dreck aus meinem Kopf,
erzeugt dabei ein schlammig-trübes Meer,
das fast die ganze Welt verschluckt;
meterhohe Wellen brechen tosend auf die Straßenzüge,
hoffnungslos geworfen treibe ich umher
in wütend wirren Strudeln, den Ruinen meiner selbst.