Samstag, 14. Mai 2016

Die Stadt liegt da wie abgebrannt

Das Pärchen in der Wohnung über mir fickt, wenn überhaupt, dann nachts um drei. Auf der Straße steht ein schwarzer Wagen, seit gefühlten tausend Jahren, mit ausgeschaltetem Motor, links blinkend, vor einer roten Ampel. Warme, ereignislose Nächte, alleine in der Wohnung.
Die kürzlich vergangene Winterkälte löst unweigerlich Fluchtreflexe aus: Immer zwängt man sich in dicke Jacken, hastet schnell zurück ins Warme. Der Hitze hingegen kann man ohnehin nirgends hin entfliehen, kriecht diese doch in jeden Winkel, zersetzt allen Handlungswillen. 
Ich liege völlig regungslos im dunklen Zimmer, betrachte durch die halb zugezogenen Vorhänge hindurch das goldverschwomm'ne Flimmern der Straßenlaternen, liege einfach schweigend da, treibe für einen Augenblick dahin, im Eindruck, den die Vorsommerwärme den Tag über auf meiner mittlerweile nicht mehr ganz so bleichen Haut zurückgelassen hat.

Freitag, 13. Mai 2016

Als letzter wach im Wohnheim

Es ist kurz nach zwei Uhr morgens: Ich stelle den Fernseher auf stumm und steige aus dem beinahe mit mir verwachsenen Bett, um meine Wäsche aus dem Keller hochzuholen. Seit einigen Tagen sind die Nächte zu warm zum Schlafen – ganz so, als bliebe ich nicht ohnehin nachts wach. Das monotone Rauschen der Lüftung gibt einen passablen Begleiter in der Einsamkeit, hinterlässt beim Verstummen Mal auf Mal ein kaltes Loch. Wie damals, als Kind – als man auf dem Rücksitz des Wagens einschlief und beim Ersterben des Motors verwirrt aus einer plötzlich so unerreichbar fern scheinenden, gerade noch einen sicher in ihrem wärmenden Schoß gehalten habenden Traumwelt hochschreckte.
Barfuß trete ich in den lichtschalterlosen Flur, dessen Bewegungsmelder sich erst nach einigen verwirrten Schritten durchs undurchsichtige Dunkel dazu erbarmt, zögerlich die Halogenlampen einzuschalten. Im Treppenhaus erneut dasselbe Spiel: Ich wette Nacht für Nacht mit mir selbst, wie viele Stufen ich wohl diesmal hinab in Richtung Keller schaffe, bevor ich vom unerwartet die Umgebung flutenden Licht enttarnt werde, wie ein Spanner im Gebüsch, beim Einschlagen des Blitzes in die Baumgruppe daneben. Dabei wie immer begleitet von der Fantasie, plötzlich zu stürzen, womöglich durch die trügerisch sicher scheinende Glasfassade hindurch, kopfüber hinunter auf die spärlich beleuchtete Seitenstraße zu fallen. Die elenden Treppenhaustüren sind irgendwie falsch justiert und schwingen nach dem Öffnen genauso schnell wie unbarmherzig wieder zu, erzeugen einen lauten Knall, leistet man nicht alles menschenmögliche, sie mit Hand und Fuß – beide so weit ausgestreckt, als es die jahrelang ignorierte Degeneration des Körpers erlaubt – behutsam davon abzuhalten. In der Reflexion der Glasfassade wirke ich in meinem fleckigen Nachthemd abwechselnd seltsam mager und merkwürdig durchtrainiert. 
Im Keller ist es angenehm kühl. Die Gedanken zirkulieren in ausufernden Bahnen und regen ein wenig zum Verweilen an, indem sie den Irrglauben an die Schönheit des Momentes säen, hätte man sich versehentlich ausgesperrt und sei nun genötigt, hier unten, im unterkühlten Kellergewölbe, zu übernachten. Ich bin erneut unverhältnismäßig verärgert darüber, dass man zum Aufschließen der meterdicken Waschraumtüre unweigerlich beide Hände benötigt. Dabei ist es doch ein so schönes Gefühl, schafft man es, selbst relativ widerspenstige Türen, durch geschicktes Drehen und Ziehen des Schlüssels im Schloss, einhändig zu öffnen, während man in der anderen Hand – zum Beispiel – lässig schwere Lasten balanciert.
Wieder oben angekommen, lese ich die letzten Seiten vom Liebesleben der Hyäne und schaue dem Himmel beim langsam blau oder grau oder gold werden zu; schlafe irgendwann dann, ohne es zu merken, ein, noch ehe ich abschließend sagen kann, was denn jetzt genau von alledem.

Sonntag, 8. Mai 2016

Draussen regnet's - nich' nass werden geht nicht

Der nicht abgeschickte Brief an dich liegt sinnlos in der Ecke rum;
Sonnenlicht flutet ungefragt die Wohnung;
ich tiger ruhelos von Links nach Rechts – die Axt im Kopf so schwer wie nie.

Rhein in Flammen

Die weißen Rückstände in den Plastiktütchen auf dem Schreibtisch sprechen Bände;
Sonnenaufgang für Sonnenaufgang rollt das Fahrrad über Altstadtstraßen,
ehe das erneut von mir Besitzergreifen des über allen Dingen Schwebens
mich um Jahrhunderte nach hinten wirft -
ich schlaf nicht mehr, und ess' nicht mehr - verwachse langsam mit der Stadt.

Samstag, 7. Mai 2016

Glückwunsch zur schnellen Umorientierung deinerseits

Schon wieder im Hellen nach Hause gekommen;
jetzt ist also endgültig Schluss -
der freie Fall streckt gierig seine Finger aus.

Donnerstag, 5. Mai 2016

Trying to remember - trying to forget I

Gestern schrieb ich darüber,
wie wir nachts am Gitterfenster 
der Wohnung deines Vaters
gesessen, geraucht und
runter auf die Straße geschaut haben;
irgendwie taucht in letzter Zeit
immer wieder mein Balkon
in meinen Texten -
und unter meinen Füßen auf,
auf dem ich jetzt nachts alleine
sitze und rauche
und runter auf die Straße schaue.

Mittwoch, 4. Mai 2016

Nichts erlebt, nichts zu erzähln

Bin so down, nicht mal das Ritalin knallt richtig
immer wieder läuft mir
dieser Typ über den Weg
grüßt und grüßt und grüßt
kenn' weder seinen Namen
noch den Rest von ihm
hab wohl wieder irgendwas verpasst
erste heiße Maitage
kündigen den Sommer an
der Himmel blau
so blau
schrieb am liebsten jeden Tag
einen kleinen Text darüber
Blütenpollen werden durch die Stadt gewirbelt
in der Bibliothek hört man jetzt öfter jemand niesen
im Drogeriemarkt sitzen jugendliche Mädchen
verzweifelt auf dem Boden
vor dem Fotoausdruckautomaten
trinken kaltes Wasser
aus diesen komischen kleinen
Papiertütchen
die es irgendwie nur hier zu geben scheint
sehen alle so
ernüchternd langweilig aus
tragen hochgeklappte Sonnenbrillen
auf dunkelbraunem
oder schwarzem glatten Haar
seltsam einheitliche Oberteile
schwarze Hosen
und viel zu teure Turnschuhe
starren genervt auf ihre Smartphones
atmen affektiert und laut
sind so beliebig wie auch dämlich
eine wie die andere
das Versicherungsgebäude gegenüber
beruhigt manchmal die nervösen Nerven
wenn ich unvorsichtig schwankend
gegen die Balkontür laufe
und mir kommen fast die Tränen
vor lauter Freude
über die Gewissheit
dass ich mir keine Sorgen machen muss
danke danke danke
liebe HUK-COBURG
wenn ich mal falle
fängst du mich wieder auf.

Dienstag, 3. Mai 2016

Endenich, Entenstich, ich hoffe ich verende nich'

Wollte eigentlich längst schlafen
doch das Herz schlägt viel zu schnell
steh' auf dem Balkon
rauche gedrehte Zigaretten
auf der Straße fährt ein Bus vorbei
die grün leuchtende Anzeige
verschwindet langsam in der Nacht
hinterher ein Krankenwagen
grelles blaues Licht
dröhnende Sirenen
die Bäume gegenüber
blühen langsam auf
und ich merke wie ich sinke
irgendwie verschwinde.