Samstag, 18. April 2020

Im Garten lesen

Das Holz des Werkzeugschuppens knarzt im Wind,
im Nachbargarten spielen die Mädchen und
ein Hund springt herum
– sonst passiert nicht viel.

»Die Blumen riechen intensiv!«,
sagst Du,
im Schatten der Hauswand sitzend,
und runzelst die Stirn.

Meine mageren Arme glühen im Sonnenlicht;
ich schaue kurz auf meine Narben
– dann schnell hoch zum Himmel.

Um uns herum das satte Grün der Pflanzen
und der Bäume;
alles voll von Blütenpollen.

Du erzählst von Zeit zu Zeit von dem Roman,
in dem Du gerade liest
– und ich
freue mich
über Deine Offenheit.

Ich verliere mich abrupt in meinem Denken.
Aber auch in diesem ruhigen
Nachmittag
mit Dir.

Dienstag, 14. April 2020

Ein Tag in Bonn

Der Sonntagmittag rinnt die Dächer der Stadt entlang,
taucht die Welt in sattes Frühlingslicht,
lässt den Raum vor lauter Tatendrang pulsieren;
jeder meiner Muskeln spannt
– Du nimmst den Hörer ab und sagst:
»Bis gleich, mein Liebster!«

Ich fühle mich eigenartig wohl in meiner Haut:
Ich strecke mich.
Ich rasiere mich.
Ich wasche mich.

Ich verstecke mich
im Schatten des Hauseingangs
vor dem gewaltigen Gefühl,
Dir nah zu sein

– bis die Tür aufgeht:
Der schöne Schwung Deiner Augen.
Die Schwärze Deines Rocks.
Die verzierten Träger Deines Oberteils.
Die Schnüre Deiner Schuhe
an den Unterschenkeln:
Mein Blick bleibt unbeholfen kleben
– und alles gerinnt zu der Gewissheit:
Es ist gut, zu leben.

Wir laufen durch die Allee der Hofgartenanlage,
mein Arm auf Deiner Schulter.
Wir sitzen am Rhein.
Wir essen Eis.
Du isst mein Eis.
Du lachst
– und ich
bin glücklich.

Dann liege ich wortlos neben Dir im Bett,
beobachte,
halb im Geheimen,
wie Du ein Foto von den lackierten Nägeln
und den Abdrücken der Schnüre
auf den blassen Beinen
machst
– und träume,
noch ganz,
ohne
zu schlafen.



Samstag, 11. April 2020

Geborgenheit

Früher,
wenn man morgens wach wurde,
und der Elternteil
bei dem man gerade lebte
noch träge seinen Rausch ausschlief,
da gab es etwas wie Geborgenheit:
nachdem man lautlos ins Wohnzimmer geschlichen war,
dort Fernseher und Videospielkonsole angeschaltet hatte,
und dann, für ein paar Stunden,
endlich friedlich träumen durfte,
weil man wusste, dass – zumindest hier –
am Ende das Gute, die Freundschaft und
die Gerechtigkeit gewinnen.

Plötzlich sagt mein Webcam-Therapeut,
das digitale Haupt in Sorgenfalten eingehüllt:
»Aber, Herr Vanitas, bei aller Liebe:
Es ist dann ja auch kein Wunder,
dass Sie, noch immer, fünfzehn Stunden täglich
auf den grellen Bildschirm starren
– selbst wenn Sie nicht mehr trinken
und auch sonst, gewiss, sehr vorbildlich Ihr Leben leben!«

Da lache ich, ganz schwach und müde,
wechsle das bunt blinkende Bildschirmfenster
zurück zu Videos von tanzenden Katzen
oder spannenden Abenteuern
– und träume ein paar Stunden
meinen alten Traum von der Geborgenheit.

Sonntag, 5. April 2020

Fetzen IV

Meine Eisprinzessin
hat mir Fieberträume eingehaucht,
für die die Welt noch keine Worte weiß.

Ich bin mir selber auf den Leim gegangen:
mein Fuchsbau nichts als Fallenwerk,
das Wundenlecken Lebenssinn.

Doch blutbeflecktes Fell,
verneigt zaghaft sich vor Zuversicht,
wenn Dein Kopf auf meiner Brust einschläft.

Fetzen III

Ich erzeuge weiter Dependenzen, weil ich,
bei Tageslicht besehen, – weiß Gott! –
kein guter Mensch bin.