Mittwoch, 7. November 2018

Die Frage nach der Vielfalt

Was bedeutet Vielfalt?
In Anbetracht sowohl meiner eigenen Geschichte, als auch der Beschaffenheit der Gesellschaft, würde ich hierfür gerne auf den anfangs vielleicht noch äußerst abstrakt wirkenden Begriff des Menschseins eingehen.

Was bedeutet also dieser Begriff des Menschseins, was hat das Ganze mit mir und vor allem mit der Gesellschaft zu tun?
Nun, es ist so, dass ich in grauer Vorzeit ein fröhliches Wesen gewesen sein muss, zumindest zeugen einstweilen verstreute Kinderfotos von einem zeitweiligen Lächeln in meinem heute grau und unversöhnlich der Wirklichkeit gegenüberstehenden Gesicht.

Was ist also in der Zwischenzeit mit mir passiert?
Ganz einfach: Ich bin an den Umständen, Widersprüchen, in die ich mich hineingeworfen fand, zerbrochen. Heillos zerbrochen. In ein wildes Scherbenmeer, an dem sich jeder, der der gleichermaßen sinnlosen wie wahnwitzigen Idee verfiele, es erneut zusammenfügen zu wollen, seine beiden bleichen Hände blutig schnitte. Ich spreche hierbei aus Erfahrung.

Das heißt, die Absenz von Menschlichkeit, respektive: der Mangel an Vielfalt, führte dazu, dass ich mich anpassen musste, und »anpassen« meint hier verbiegen. Die Welt als meine Sollbruchstelle.
Konkreter: Der Personenkreis, der mich, wenn man denn so will, großgezogen hat, zeigte sich durchgehend überfordert angesichts meiner ursprünglich allzu fröhlichen und ob dessen ungebremst redseligen Natur. Als ich als Kind noch ganz ich selbst war, wusste ich noch nicht, wie man den Mund hält.
Die Mehrzahl der Fragmente, Splitter, meiner frühen Geschichte, setzt sich zusammen aus Erinnerungen an Erwachsene, die mir nach einer meiner viel zu vielen viel zu wirren Fantasiegeschichten sagten – sie hätten mir nicht zugehört. Erwachsene, die mir nicht mehr zuhören konnten, weil sie als eindimensionale Menschen ihre Vielfalt längst verloren hatten, das heißt, ihre Fähigkeit, die unzähligen, teils anstrengenden Facetten der Menschlichkeit zu sehen und damit auch die mehr als ätzenden Aspekte des Menschseins zu ertragen.
Und so tat ich's ihnen gleich und wurde stumm, zerhackte fein säuberlich das ein letztes Mal kleinlaut vor sich hin wimmernde innere Kind mit der die gesamte Wirklichkeit zerschneidenden Klinge der eigens hierfür herangezüchteten Axt im Kopf.
Ich bin ein guter Denker und ein schlechter Mensch geworden. Glückwunsch, zu gar nichts. Was indes vielleicht hilft, die Gestelztheit dieses Textes zu verstehen, ich bitte hierfür um Verzeihung – ich bin eine Funktion geworden, eine Gleichung, die sich glatt dem starren Rahmen der sogenannten Wirklichkeit, die uns umgibt, anschmiegt.

Vielfalt, Menschlichkeit, bedeutet daher, in Anbetracht dessen, was wir bisher erarbeitet haben:
Trotz aller Widersprüche niemals den Bezug zum eigenen Empfinden aufzuopfern;
den Schmerz des Andersseins als die Andern bis zum Ende auszuhalten
und voll übersteigertem Stolz ein Lächeln in die Welt zu tragen.

Und damit sind wir unmittelbar bei der Gesellschaft angelangt:
Wie steht es in dieser derzeit um den Bezug zum eigenen Empfinden,
das Ertragen des Andersseins
und die Möglichkeit, ein ehrliches Lächeln im Gesicht zu haben?

Wisst Ihr was, der Text ist viel zu abstrakt geworden.
Echte Vielfalt muss immer auch spontan sein.
Beantwortet die Frage einfach für Euch selbst.