Samstag, 22. Februar 2014

Nicht immer aber jetzt

Wenn alte Narben bluten
drehe ich mich benommen im Kreis
und versuche mich an dein Gesicht zu erinnern

Donnerstag, 20. Februar 2014

Sommerzeit Traurigkeit

Zwei im frühmorgendlichen Vorstadtstau
vor einer roten Ampel
zum Stehen gekommene Kleinwagen
hupten unmittelbar nacheinander

Die Tür
der Dorfbäckerei am linken Straßenrand
flog ohne Vorwarnung auf
und ein grauhaariger Mann
begann mit schlenkernden Beinen
den Bürgersteig entlangzuhasten

Die Fahrertür
des vorderen von beiden Wagen
öffnete sich
und ein mit Ketten und einer Uhr
behangener Frauenarm winkte wackelnd
dem Grauhaarigen hinterher

Und obwohl
die Ampel längst auf grün umgeschlagen war
schien niemand
aus der sich frisch gebildeten Autoschlange
hinter der winkenden Dame
sie auf dieses Ereignis hinweisen zu wollen

Der rennende Mann
sprang, die winkende Frau ignorierend
in seinen schräg auf dem Bordstein geparkten
grauen Mercedes
dessen Warnblinklicht kurzzeitig
den Kampf gegen die strahlende Morgensonne
aufgenommen und kläglich versagt hatte

Kurz danach
öffnete sich die Bäckerstür erneut 
und ein weiterer, etwas korpulenterer 
Herr mit lichtem Haar lehnte sich
stirnrunzelnd und dem Mercedesfahrer hinterherblickend
aus dem Laden

Dieser befand sich
mittlerweile schon wieder ganz entspannt
den Bürgersteig entlangschlendernd
auf dem Rückweg zur Bäckerei
die Autos hatten sich
der Reihe nach in Bewegung gesetzt
und ich saß bloß sinnlos
in meiner Bushaltestelle herum
und versuchte angestrengt
mich an meinen Traum
von letzter Nacht
zu erinnern.

Montag, 17. Februar 2014

Rolltreppe aufwärts

Die ganze Welt leuchtet golden
alles um mich herum pulsiert
der Wagen rollt über die Autobahn
und irgendwie
bin ich grade
warum auch immer
stolz auf mich

Texte übers Rauchen

Wenn ich nachts
barfuß im Garten stehe
und der langsam aufsteigende
Zigarettenqualm
sich nach und nach
im wolkenlosen Himmel verliert
während das Vollmondlicht
die mich schweigend beobachtenden Bäume
vom Schlafen abhält
dann fühle ich mich
zur genau richtigen Zeit
am exakt richtigen Ort
ein kleines bisschen
verloren

Freitag, 14. Februar 2014

Ach übrigens

Gestern Nacht ging ich nach Hause
und blieb kurz stehen
um den Nachthimmel zu betrachten
der Vollmond
und die sich darum türmenden Zuckerwattewolken
waren so schön, dass ich keine Worte dafür fand
und ich wollte dir sagen
dass du vielleicht heute Nacht auch einmal nach oben schaust
doch heute hängt dort kein heller Mond mehr
und alles ist überzogen von schwarzem Grau
und genau das meine ich
wenn ich sage
genieß es, so lange es wirkt

Freiheit

Ich vermisse dich nicht länger
habe einfach von heute auf morgen
aufgehört dich zu lieben 
die Macht die ich über dich hatte
und über dich habe
ist eine witzlose
machtlose Macht
ich will dich nicht mal mehr ficken

Der Himmel ist hellblau
und der warme Sonnenschein
treibt mir den Schweiß auf die Stirn
und ich denke mir
wenn das die Freiheit sein soll
dann war die Abhängigkeit auch nicht schlecht.

Im März kommt dann der Schnee

Meine Gesichtshaut spannt sich
und das Gefühl zieht mich nach unten.
Ich fühle mich wie ein Blatt Papier, das man zerknüllt,
bevor man es in den Papierkorb wirft.
In meinen Augenwinkeln falsche Rührseligkeitstränen,
induziert durch drogenverschuldeten Weltschmerz.

Ich glaube, es gibt definitiv bessere Ausgangssituationen
um einen viel zu warmen Februarnachmittag,
eines viel zu warmen Winters,
der in Wahrheit ein Frühling ist
zu verbringen, als eingequetscht zwischen lärmenden
und stinkenden Fleischbeuteln,
in einem überfüllten Linienbus,
der mit quälend langsamer Geschwindigkeit
durch die ehemalige Hauptstadt rollt.

Donnerstag, 13. Februar 2014

Sonne Regen Sonne Regen Sonne Regen Ende

Alle versunken in ihrer Sucht,
durchschaubare Realitätsflucht;
und alles, was ich sagen kann, ist:
es tut mir unendlich leid.

Wir fristen unser Dasein in Einsamkeit,
denken an früher,
blinzeln dann kurz verwirrt
und verschließen unsere müden Augen
vor der blendenden Mittagssonne.

Wir weinen vergangenen Regentagen nach,
an denen wir noch
Hand in Hand
unter ein und demselben Regenschirm
durch das Unwetter spaziert sind.

Nicht mehr als aufgewärmter Einheitsbrei,
Zeit verstreicht, wir leben weiter,
doch sind bloß noch Schatten unserer selbst,
wandeln tot über den Erdball,
getrieben von dem Gefühl,
die Vergangenheit
ein aller letztes Mal zu küssen.

Donnerstag, 6. Februar 2014

Regenspaziergang

Kalter Regen peitscht mir ins Gesicht, der Sturm lässt mein Halstuch durch die Luft fliegen und meine Beine knicken bei jedem Schritt auf dem nassen Asphalt zur Seite weg. Als ich mit meiner Hand nach dem kalten Metallgeländer greife, zuckt ein Eisblitz durch meinen Arm hindurch bis tief ins Herz hinein.
Vorsichtig streife ich meinen schwarzen Mantel ab, falte ihn und lege ihn umsichtig an den Rand der Brücke, dann ziehe ich mir Pullover und T-Shirt über den Kopf und lege beides ebenfalls gefaltet auf den Mantel. Ein kleines, kaum sichtbares, schwarzgraues Quadrat. Meine Gürtelschnalle klimpert und mit leisem Surren löst sich der seit Jahren getragene Ledergürtel von meiner Hüfte und fällt auf den Boden. Obwohl sich alle Haare meines Körpers aufgestellt haben und der Wind mir über den Rücken streicht, ist mir nicht kalt. Alles, was ich wahrnehme, ist ein dumpf dröhnendes Summen in meinem Trommelfell. Ich fluche nicht mal, als ich bei dem Versuch, mir meine viel zu enge Hose über die nassen Beine zu ziehen, umkippe und mir den Kopf unschön auf dem Asphaltboden aufschlage. Ich schlüpfe vorsichtig aus meinen Schuhen, ziehe mir die regennassen Socken von den Füßen und blicke dann auf das Quadrat vor mir auf dem Boden. Es ist mir einfach seltsam egal, nicht mehr und nicht weniger.
Meine zerzausten Haare flattern wahllos durch die Gegend, erste Teile meines schneeweißen Körpers verfärben sich langsam dunkelrot oder veilchenblau. Sturm und Regen tanzen gemeinsam um mich herum und ein gewaltiges Beben, dessen Epizentrum ich zu sein scheine, bringt die gesamte Brücke zum Schwanken.
Ein letzter Blick nach oben, ich lege den Kopf in den Nacken und ein Sturzbach aus Regenwasser plätschert auf den Bordstein, während über mir nachtschwarze Wolken vorbeiziehen. Es ist, als würde man in ein ewig waberndes schwarzes Loch blicken.
Niemand der unmittelbar hinter mir vorbeieilenden Passanten macht Anstalten etwas zu unternehmen.
Niemand scheint sich an dem nackten Jungen zu stören, der an einem verregneten Donnerstagnachmittag auf dem Geländer der Kennedybrücke sitzt und Löcher in die Luft starrt.
Ein letztes Mal küsse ich das Foto von dir, das ich seit Jahren in meinem Portemonnaie mit mir herumtrage, dann beginne ich langsam meine Augen zu schließen.
Der Horizont wird schmaler und schmaler, bis nur noch der Posttower als letztes, winziges Licht am Ende des dunklen Tunnelblicks verbleibt. Ich atme ein und meine Gedanken beginnen abzuschweifen:
Ich denke an längst vergangene Sommerwochenenden in der Rheinaue;
ich denke an die ewig pulsierende taube Einsamkeit;
ich denke an das Gefühl von Schwerelosigkeit;
ich denke daran, wie das Schwimmbecken immer näher kam, als ich als Kind an heißen Sommerferientagen im Freibad vom Sprungbrett sprang;
ich denke an die wundervollen Gespräche mit all den Menschen, die ich auf den Parkbänken am Rheinufer zu meiner rechten geführt habe. –
Ich denke an das flackernde Licht der Neonröhre über mir;
ich denke an den Bastard, der die Firma betreibt, die diesen kaputten Kugelschreiber hergestellt hat, mit dem ich mühsam versuche meine Gedanken aufzuschreiben;
Ich denke, ich hasse mich selbst so sehr, dass ich am liebsten tot wäre.

Doch egal wie sehr ich von Trauer und von Hass zerfressen bin, irgendetwas hält mich in diesem Leben,
zerrt mich von diesem Geländer hinunter,
wickelt mich in ein warmes Handtuch und gibt mir einen heißen Tee,
ohrfeigt mich und schreit mich an,
nimmt mich in den Arm und trocknet meine Tränen,
trägt mich in mein Bett und küsst meine Stirn,
legt mir die Hand über die Augen und summt mir aus der Ferne bittersüße Melodien ins Ohr,
bis ich tief und fest eingeschlafen bin.

Na lecker

Ich fühle mich irgendwie beobachtet.
Jetzt sitze ich hier, an diesem warmen Februarmorgen
in der Bushalte in Birlinghoven und warte.
Ein großes Aushängeschild im Schaufenster
des Bäckers auf der anderen Straßenseite
verkündet, dass es dort eine große Auswahl an
Kuchen und Torten zu kaufen gibt.
Die Welt dreht sich weiter
und mir wird schlecht.

Montag, 3. Februar 2014

Montag

Chemischer Sonnenschein zerplatzt
Saurer Regen prasselt nieder
frisst sich durchs Hirn
frisst sich durchs Herz
nichts bleibt bestehen
alles vergeht
Verwesung

Schon wieder Wochenende

Ich hab mich verlaufen.
Aber nicht auf die positive, die verträumte, eskapistische Art. Nix da mit Alice oder Wunderland.
Es ist schlichtweg niemand mehr da, den ich nach dem Weg fragen kann. Und jetzt stehe ich hier, mit leerem Blick und zerrissenem Shirt. Eine schwüle Brise streicht an meinem Kopf entlang und am schwarzen Himmel brodelt wütend der Donner. Schluss mit Lustig, gleich ist hier die Hölle los.
Ich stehe mitten auf diesem gottverdammten Feld. Ohne einen einzigen Baum, ohne schützende Kuhle. Nichts da mit Deckung suchen oder unterstellen. Die elektrisierte Nachtluft knistert und meine Nackenhaare stellen sich auf. Jeder Muskel angespannt, die Augen fest zusammengekniffen,
gleich war's das mit mir.
Gleißendes Licht, ein lauter Knall, platzendes Trommelfell, ein explodierendes Herz, kochendes Blut –
und dann war's das mit mir, Ende vom Lied. Dann bleibt von mir nix übrig, außer Staub
Ich hätte mir Socken und eine lange Hose anziehen sollen, diese scheiß Wiese ist komplett nass. Jetzt stinken meine Füße und diese widerwärtig langen Grashalme kitzeln so ätzend an den Schienbeinen. Gott, wie ich den Sommer hasse! Man träumt von Sandstränden, Joghurteis und hübschen Frauen in kurzen Röcken. Und was kriegt man?
Hitze, Gestank, Kopfschmerzen und Albträume!
Ich hebe vorsichtig das Lid meines rechten Auges... Toll!
Dieser kleine Monolog hat natürlich nicht dazu geführt, dass sich meine Umgebung von alleine in das bunte Wunderland verwandelt, in dem ich jetzt gerne wäre. Das Feld ist noch genauso leer wie vorhin und Angst davor, vom Blitz getroffen zu werden habe ich  auch immer noch.
Wenn ich mich so umschaue, sieht die Lage alles in Allem schon eher hoffnungslos aus:
Ich muss ganz sicher jetzt gleich sterben, ganz bestimmt, deswegen fühle ich mich auch so komisch. Natürlich fühlt man sich komisch, kurz bevor man stirbt. Wäre ja auch komisch, wenn man sich kurz vorher absolut normal fühlen würde. Jetzt hab ich den Salat.
Das kommt davon, wenn man meint, die gewohnten Bahnen verlassen zu müssen, um sich etwas ''Inspiration'' zu holen, so ein Schwachsinn! Rückblickend betrachtet war doch eigentlich alles ganz okay. Nur ich hatte natürlich Lust zu jammern, wollte den ''Großen Neuanfang'' starten und kopflos nach vorne rennen, Hauptsache Zukunft. Als ob alles gut werden würde, bloß weil man beschließt, sich von der Vergangenheit zu trennen. Lektion des Tages: Das Unglück lauert auf allen Zeitebenen.
Fuck, und pissen muss ich auch noch!
Manchmal hasse ich mich wirklich selbst, was für ein abgefuckter Freitagabend.
Normale Menschen dröhnen sich zu, gehen feiern oder ficken wenigstens. Und ich, was mache ich?
Ich stehe schweißdurchnässt mit stinkenden Füßen und einem Puls von hundertachtzig auf einem komplett leeren Feld irgendwo im Nirgendwo und muss pissen wie ein Pferd. Ja geil!
Ich kann meine Blase jetzt nicht einfach so hier entleeren. Viel zu großes Risiko in genau dem Moment vom Blitz getroffen zu werden. So soll man mich nun wirklich nicht finden. Mit ein wenig Würde abzutreten ist ja wohl das Mindeste, was selbst mir noch vergönnt sein sollte!
Moment mal, da ist doch jemand.
Wenn ich meine Augen ein wenig zusammenkneife und den Kopf etwas schräg halte, erkenne ich da etwas am Horizont.
Eindeutig, da ist jemand.
Ich spüre wie die Euphoriewallungen pulsierend, vom Bauch aus, durch die Wirbelsäule hindurch und direkt in die Mitte vom Hirn hinein emporsteigen und dieses angenehme Kribbeln verursachen, das man auch manchmal vom ersten Schluck kaltem Bier bekommt, obwohl man noch gar nicht betrunken ist.
Okay, du hast jetzt ein Ziel, es wird Zeit sich zu bewegen, also reiß dich zusammen! Ein Fuß vor den anderen setzen. Na also, geht doch! Ich wette, ich hab Mundgeruch. Fuck, und natürlich wieder keine Kaugummis dabei. Na ja, was soll's, ich bin ja trotzdem hübsch, auch wenn ich stinke.
Ich spüre wie meine Schuhe die Grashalme plattdrücken und stelle mir vor, wie die auf ihnen lebenden Insekten schockiert um ihr Leben fliehen, weil ein manischer Hühne ihr Zuhause zerstampft.
Ich merke, wie ich mit jedem Schritt in deine Richtung schneller werde.
Unstillbare Gier flammt auf, irgendwo zwischen Hirn und Herz.
Langsam aber sicher wird mir bewusst, was hier abläuft, doch ich habe längst verstanden, dass ich mich jetzt nicht mehr umdrehen kann.
Du öffnest langsam deine Augen.
Einen kurzen Moment herrscht absolute Stille und man könnte meinen, ein trügerisches Gefühl von Ruhe würde die ganze Szene umschließen. Doch es kommt, wie es kommen muss,
gleißendes Licht, schwarze Haare, ein lauter Knall, schneeweiße Haut, ein platzendes Trommelfell, blutrote Lippen, ein explodierendes Herz, unendliche Augen, kochendes Blut und ein Kuss von dir.
In der Sekunde, in der ich vom Blitz durchbohrt werde, wird mir zum ersten und letzten Mal voll und ganz bewusst, wie hoffnungslos verliebt ich in dich bin
Ich sterbe lachend.