Mittwoch, 30. Dezember 2015

Holodomor

Vor dem Fenster Mittwochabend;
ich, über der Kloschüssel –
mir die Seele aus dem Leib kotzend.

Weiter in den Klauen dieser Kleinstadt hängend;
die Axt im Kopf pulsiert;
das Hirn läuft butterweich zur Nase raus.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu –
hab's weder hoch noch weg geschafft;
die Ketten wiegen schwer.

Und irgendwie ist immer Nacht,
der Alltag bloß Erinnerung –
seit Wochen keinen Traum gehabt.

Bin ich wirklich wach?

Montag, 28. Dezember 2015

Indicazione Geografica Tipica

Alles Sein zieht sich im Ich zusammen –
steht ihm dennoch gegenüber, sich dabei müde fragend,
ob überhaupt etwas oder doch nicht vielmehr nichts ist.

Donnerstag, 24. Dezember 2015

24. Dezember

Bin so verwachsen mit dem Haus,
dem Garten und der kleinen Straße
vor der Hecke;

in ein paar Jahren ist die Katze tot
und ich ganz wo anders -
komischer Gedanke.

T. M. A.

Dieses viel zu schöne Mädchen
fasziniert mich Tag für Tag,
selbst nach einem Jahr
und vermutlich noch in zehn;
wenn sie nackt in meinem Bett rumliegt,
mich durch braune Augen anschaut;
oder einfach nur ruhig schläft, leise atmend, leichenblass -
fast wie nicht von dieser Welt;
wie sie sagt, mein Blick sei fragend -
dabei selbst nie wirklich da ist -
meistens wirkt, so wie im Traum -
ganz ruhig und beinah' traurig.

Doch alleine dass sie ist
und wie sie ist -
das sonst so graue Sein,
sich durch sie in seiner Schönheit zeigend -
lässt selbst mich Tor, in meiner Hektik,
in manchen Nächten friedlich schlafen;
beruhigt den wundgereizten Geist.

Nur ein mit-mir-Sein,
geschweige denn des für-mich-Seins,
sind ihr scheinbar fremd -
am Ende bleibt sie stets allein -
verschlossen in sich selbst;
weit draußen in der Ferne treibend,
golden leuchtend - trotzdem kalt.

Doch von mir aus soll's so sein, wer bin ich denn, zu klagen -
ich griesgramgleicher Januskopf, das Hirn voll von Textzeilen;
bin selber hoffnungslos versunken, blauäugig in mir treibend -
die ausgestreckte Hand mehr Schein als Sein -
greift sie doch ins Nichts - und soll es auch.

Doch selbst wenn mein Herz oft übel krampft,
sich unsre Traurigkeit wohl potenziert,
bin ich doch glücklich, dich zu sehen -
ruhig und schön, so wie du bist -
und unendlich froh, dass es dich gibt.

Sonntag, 20. Dezember 2015

In-die-Welt-geworfen-Sein

Am liebsten würde ich euch spießbürgerlichen Normalo-Faschisten mitten ins Gesicht schreien:
Traut euch endlich Mensch zu sein, fühlt doch einmal ehrlich, ohne falschen Stolz,
wie hoffnungslos erbärmlich unser Dasein sein kann;
wachst über eure Uniform hinaus, atmet einmal frei, die hohe Luft Unsicherheit;
geht von mir aus auch zurück, in eure weißen Häuser, mit den kleinen grünen Gärten,
aber geht den Kreis komplett, kappt die kurzen Leinen, ertränkt die hirnlose Versagensangst;
lasst euch, aus Respekt vor eurem Selbst, die Freiheit
auch schräge Wege als Option, als Möglichkeit des Seins, zu sehen.
Ich schreie mir die Seele aus dem Leib, spuck' mein Blut vor eure Füße:
Zeigt mir endlich, dass ihr Mensch seid - lasst mich aufhören euch zu hassen.

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Hungerkünstler

Es gibt so Tage, da hat man Lust sich die Adern zu öffnen
oder ein bisschen von dem bösen Zeug zu nehmen –
am besten direkt beides.

Sonntag, 13. Dezember 2015

Gottverlassenheit

Bei allem Herausschälen von Gedanken,
jedem Versuch Konstrukte zu erzeugen,
Strukturen zu erkennen, die überzeugend sinnhaft sind,
bleibt, trotz dem Gefühl der Objektivität,
dem Anschein von Vernunft und Aufatmen von Geist
dieser eine fiese Stachel, ganz hinten im Gehirn:
Gilt das von mir Gedachte immer, oder jetzt?

Ich habe das noch nie ertragen,
werd es nie ertragen können;
das Mensch-Sein weiterhin mein Feind -
der Nemesis im Kopf;
der Traum davon, sich die komplette Biologie abzugewöhnen;
ein einziges Mal im Leben klar zu sehen;
die Dinge, wie sie sind.

Es dreht sich Alles hin und her, ist niemals wirklich gut.

Freitag, 11. Dezember 2015

Hippolyte Bourru

Ein Moment, wert konserviert zu werden -
wie ich Freitagmittag barfuß auf der Treppe sitze,
beide Beine ganz leicht angewinkelt,
während der unruhig aufsteigende Tabakqualm
sich mit dem ihm entgegenfallenden Dezemberregen
schweigend zu vermischen scheint;
wie von drinnen, durch die angelehnte Zimmertür,
derselbe Song geschlichen kommt, der seit gefühlten tausend Jahren
diesen einen Augenblick auf seinen Schultern trägt;
wie der kranke Kopf ganz ohne Regung auf dem Rumpf sitzt,
frei vom Willen zu verstehen,
dem sonst so starken Drang, die Dinge zu verdrängen;
wie stattdessen, erstmals tief aus mir, die schönste aller Erinnerungen,
an einen Moment - zu weit weg, ihn zu verstehen; zu sehr ich, ihn preiszugeben -
aufsteigt -
und die ganze Welt mit kaltem Grau durchzieht.

Wie ich später dann, mit taumelnd-wirrem Schritt
und leergeträumten Blick,
die alte Treppe hinabsteige;
mitten in das fremde Schwarz -
in ein neues Selbst.

Alles Alte löst sich auf - Ich bin jetzt nicht mehr ich.

Flimmerndes Lichtermeer

Plötzlich zeigt sich da Struktur
im sonst so wirren Sein;
beim Blick zurück verwischte Spuren,
verwelktes Laub des Hier und Jetzt;
mein Bild des geraden Wegs,
krumm und schief, doch mit System;
die Dämonen außer Sicht,
Ich bleibe stehen, atme durch;
wachse fest an diesem Ort,
schlage Wurzeln in die Welt.

Donnerstag, 10. Dezember 2015

REALiTi

Die Bonzen im Dorf schmücken ihre Häuser,
ich fress' Pregabalin wie sonst was
und schlaf ständig in der Straßenbahn.

Wollte, dass mir meine Muse schöne Bilder malt,
doch hab dann den Fehler eingesehen,
die Wunden schnell geleckt.

Es geht schon wieder 'bisschen besser mittlerweile,
auch wenn ich kaum zum Schreiben komm,
die Worte sich entziehn.

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Verliebte Schmierfinken verstehen auch Tierstimmen

Wenn ich mir abends hektisch das Gesicht wasche, versuche mit der energisch um Augen, Hals und Ohren
verteilten Seife, den Dreck der dunklen Jahre abzustreifen, kommt es hin und wieder vor, dass ich aus Versehen ein wenig von der Seife herunterschlucke und plötzlich von einem Gefühl chemischer Katharsis
übermannt werde, das mich für den Bruchteil einer Sekunde ganz weit weg trägt, in irgendwelche unbeschmutzten, hellen Sphären, während ich, begleitet von einer bizarren Mischung, aus irgendetwas zwischen Sehnsucht und Ekel, die bittere Lauge gurgele.
Und wenn dann die dreckige Suppe den Abfluss runterrinnt und ich beim Blick nach oben von den kalten Augen meines eigenen Spiegelbildes erwischt werde, wie ich mich feindselig anstarre, frage ich mich leicht besorgt, was zur Hölle mir noch helfen soll.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Ich bin auch nur ein Mädchen, wenn auch unrasiert

Du hast mir Samstagnacht gesagt -
oder war es doch am Sonntagmorgen? -
hatte mich da schon wieder ein klein wenig verloren,

dass ich ein positiver Mensch sei,
wenn auch oft mit schlechter Laune -
endlich einer, der mir die Nummer abkauft.

Ein positiver Mensch,
wenn auch ein, von bis auf aus den blauen Augen
triefendem Selbsthass Zerfressener;

wenn auch ein, weiter sich für
alles was er macht Verachtender;
macht das die Dinge selbst nicht zwingend schlechter;

nur mein Selbst, verdreckt,
vom Schwarz der durchgemachten Nacht befleckt,
hofft heimlich (peinlich peinlich), dass es bald verreckt -

lacht sich selbst, als Selbst, selbst noch beim
diese Zeilen Schreiben,
Hass-versessen selbst aus;

ist im Endeffekt dann nur
'bisschen enttäuscht davon,
sich immer noch denselben Gestalten

um den Hals zu hängen,
die es - weiter wie gewohnt - so ignorant erfrier'n lassen.
Und heimlich - da haben alle Spaß am Hassen.

Hassen - Hassen - Hassen.