Samstagmorgen, ich hab noch nicht gepennt und sitze das erste mal nach viel zu langer Zeit oben auf der Mauer
des Michaelsbergs. Vollkommen absurd, dass wir schon Ende Oktober haben. Abgesehen davon, dass mir gerade sowieso jegliches Zeitgefühl
entglitten ist und ich mich beim besten Willen weder an die vergangenen letzten zwei Stunden, noch an die letzten zwei Jahre erinnern
kann, hängt über mir ein hellblauer, wolkenloser Himmel. Dass das
Wetter eher an einen kalten Sommertag, statt einen warmen Herbstmorgen erinnert trägt zusätzlich zu meiner Verwirrung bei; sieht mal wieder alles wie auf Leinwand gemalt aus.
Wie sehr ich die Übermüdung vermisst habe: Mit trüben Augen raus in die Stadt starren und sich an der geistigen Leere erfreuen, die
man sich im Laufe der letzten Nacht durch strengen Verzicht auf Schlaf und
Nüchternheit hart erarbeitet hat. Wenn es überhaupt einen Ort gibt,
an dem ich mich annähernd zu Hause fühle, dann ist es dieser Zustand; wenn die großen Fragen und die kleinen
Alltagsprobleme langsam în den Hintergrund treten und
stattdessen die wunderschön verschwommene Sicht, das leise Rauschen
im Hinterkopf und all die verselbstständigten Gedanken in den
Vordergrund rücken. Umgeben von in Chloroform getränkter Watte kann
selbst der hektischste Zwangscharakter entspannen, weil er mit dem bisschen
Restverstand, der die letzte Nacht gerade noch so überlebt hat,
schnell begreift, dass er ohnehin machtlos ist gegen die
trübe Suppe im Kopf. Gezwungene Entspannung sozusagen, die Lage
muss bloß hoffnungslos genug sein, dann ist alles wieder halb so
wild
Wir sind doch ohnehin vob Chaos umgeben, nichts macht Sinn, alles
ist willkürlich, was wir aber aufgrund unserer erbärmlichen
menschlichen Beschaffenheit nicht erkennen können, da wir gezwungenermaßen
durchgehend alles durch die verschmutze Brille der menschlichen Logik
betrachten müssen; wir erkennen wiederkehrende Farben, Formen,
Muster, schreiben Bücher darüber und führen Kriege deswegen und das
alles inmitten der unendlichen Leere der ewigen Existenz. Und in
Momenten wie diesem, in denen der totale Wahnsinn ungefiltert in mein
Hirn flutet, fühle ich mich – wenn ich einmal ehrlich bin – der Wahrheit ein kleines Stück näher.
Keine
Ahnung, ob es die Welt ist, die wahnsinnig ist, oder einfach nur ich selbst – aber vermutlich beides gleichermaßen.