Samstag, 23. Dezember 2017

Stimmbruch

Die Dezembertage sickern vor dem Fenster in den feuchten, kalten Boden, ohne dass etwas geschieht oder sich die Möglichkeit ergäbe, innerhalb der Zeit des Wachseins auch nur halbwegs produktiv zu handeln: Ich liege viel in meinem Bett, mein Rücken tut mir weh, der Laptopbildschirm flackert.
Bloß scheint es so, als sei der saisonal bedingte Sog des Nichts soviel unerträglicher als sonst  – oder sonstige an dieser Stelle zu verwendenden Floskeln, die man, sich viel zu wenig dafür schämend, aufs Papier schmiert, wenn man gar nichts fühlt und gar nichts denkt und daher auch nicht schreiben kann, aber spontan, wie man halt ist, beschließt, zumindest Letzteres zu ändern, in der irren Hoffnung, dass sich  Ersteres dadurch – warum auch immer – irgendwie zurück zum Guten kehrt.
In Wahrheit ganz einfach, weil mein Hirn, das alte Sieb, vergessen hat, was früher war und mir jetzt sagt, es geht ihm schlecht, so schlecht wie nie.

Indes, der Grund, bedingt durch den jetzt, obzwar die Dinge an sich so unendlich viel schöner scheinen als früher, die sogenannte Unerträglichkeit des Daseins mich durchzieht – ich zumindest nicht länger Tag und Nacht, nackt und ausgemergelt in eine fremde Fratze starrend vor dem Spiegel stehe und böse zitternd in dem Nichts versinke, das aus meinen beiden schwarzen Augen schwappt –, liegt nun einmal darin begründet, dass das Heute in Wahrheit die Wahrheit des Gestern darstellt und jenes dieses damit ganz in sich enthält, es widerwärtig potenziert hinterrücks aus sich entlässt, sodass, wenn man dumm, wie man halt ist, sich kurz – ganz kurz – auf der letztlich sich'ren Seite wähnt, man, wie es mir scheint, ganz unbedacht den eben unabdingbar teils in den Ärgernissen, Todesfällen, Katastrophen der Vergangenheit verwurzelten Grund des eig'nen Seins verneint.

Wie es mir scheint: Mir, dem ewig blassen dürren Jungen mit den hellen blauen Augen, in denen alle – wirklich alle – irgendwas zu sehen und irgendwas zu finden glauben. Der Junge mit dem Pisspottschnitt, der nur von Fernsehwerbung spricht und in seiner wirren Phantasiewelt lebt. Der wohl zumeist alleine war, darum bis heute kaum versteht, wie man die Außenwelt erfühlt, geschweige denn sich selbst, doch mittlerweile erstmals zaghaft spürt, dass es ja wirklich so etwas wie Liebe gibt; darunter vorerst furchtbar leidet, blutet, zappelt, zuckt und schreit.

Der Versuch, mich einfach so von alledem hier freizuschreiben scheitert;
scheitert, weil er scheitern will und scheitern muss,
damit ich weiter schreiben kann,
meine Geschichte sich sich selbst erzählt,
damit der Stein zurück den Berg raufrollt, der Adler genug Leber frisst,
weil genau das in Wahrheit meine Freiheit, meine Stärke ist:
Dass das letzte Wort niemals gesprochen wird,
sich meine absolute Weltfremdheit, mein seltsam blasses Formlossein
eben dadurch unentwegt ins Dasein schreibt,
und so mein scheinbar substantiell verlog'nes Wesen,
durch meine gänzlich herzgebroch'ne Ehrlichkeit, wirklich –
nichts als wirklich wird.