Dienstag, 12. Juni 2018

Wetterleuchten und Einsamkeit

Die ehemalige Hauptstadt hält, eingehüllt in dichte Schwüle, alle Menschen wie im Fiebertraum gefangen. Derweil die Hitze alles Denken lähmt und schwer auf jeder Regung liegt. Sodass die Leute sich verdächtig freundlich geben, dabei in Wahrheit ungemein dünnhäutig und gereizt ihr Dasein fristen.
Und da ist dieses Mädchen, das ich immer sehe, mit dem ich irgendwann was hatte. Das ich versehentlich verlernt zu grüßen habe, und das mich seitdem anklagend ansieht, wenn wir – uns auf Grund einer unangenehmen Verkettung absurder Ereignisse ignorierend – aneinander vorbeigehen. In dieser furchtbar stickigen Stadt, deren weltumspann'des Grau orgiastisch pulsiert, sich trostlos in sich selbst verliert.

Einstweilen scheint es, als senkte sich eine milchglasfarbene Kuppel über die Stadt, und all die unbescholt'nen Bürger erstickten nach und nach – während sukzessive das Bewusstsein dieses Umstands steigt: Manch einer hatte es sofort durchschaut, ein anderer es gar ersehnt und ein dritter wird es wohl, bis zu seinem allerletzten Atemzug, in Gänze von sich weisen wollen.
Die Stadt wird zunehmend Meer: Schweiß sondert sich vom Körper ab, vermischt sich mit Luftfeuchtigkeit und kummervollen Tränen. Und eben erst, so sagt man sich, rutschte ein Mann mit Hut unbeholfen aus, in einer der nach und nach entstehenden Pfützen, Bäche, Seen, gefüllt mit Kondensat und Körperflüssigkeit, und brach sich leise fluchend beide Beine.

Man kann die ganze Welt am Körper spüren: Enger und enger, mit jedem Tag, wie in einer kleinen Fabel, an deren Ende jemand stirbt.
Indes hat Atlas keine andern Sorgen, als sich Nacht für Nacht halb tot zu trinken und in goldenes Laternenlicht zu starr'n.