Es ist kurz nach zwei Uhr morgens: Ich stelle den Fernseher auf stumm und steige aus dem beinahe mit mir verwachsenen Bett, um meine Wäsche aus dem Keller hochzuholen. Seit einigen Tagen sind die Nächte zu warm zum Schlafen – ganz so, als bliebe ich nicht ohnehin nachts wach. Das monotone Rauschen der Lüftung gibt einen passablen Begleiter in der Einsamkeit, hinterlässt beim Verstummen Mal auf Mal ein kaltes Loch. Wie damals, als Kind – als man auf dem Rücksitz des Wagens einschlief und beim Ersterben des Motors verwirrt aus einer plötzlich so unerreichbar fern scheinenden, gerade noch einen sicher in ihrem wärmenden Schoß gehalten habenden Traumwelt hochschreckte.
Barfuß trete ich in den lichtschalterlosen Flur, dessen Bewegungsmelder sich erst nach einigen verwirrten Schritten durchs undurchsichtige Dunkel dazu erbarmt, zögerlich die Halogenlampen einzuschalten. Im Treppenhaus erneut dasselbe Spiel: Ich wette Nacht für Nacht mit mir selbst, wie viele Stufen ich wohl diesmal hinab in Richtung Keller schaffe, bevor ich vom unerwartet die Umgebung flutenden Licht enttarnt werde, wie ein Spanner im Gebüsch, beim Einschlagen des Blitzes in die Baumgruppe daneben. Dabei wie immer begleitet von der Fantasie, plötzlich zu stürzen, womöglich durch die trügerisch sicher scheinende Glasfassade hindurch, kopfüber hinunter auf die spärlich beleuchtete Seitenstraße zu fallen. Die elenden Treppenhaustüren sind irgendwie falsch justiert und schwingen nach dem Öffnen genauso schnell wie unbarmherzig wieder zu, erzeugen einen lauten Knall, leistet man nicht alles menschenmögliche, sie mit Hand und Fuß – beide so weit ausgestreckt, als es die jahrelang ignorierte Degeneration des Körpers erlaubt – behutsam davon abzuhalten. In der Reflexion der Glasfassade wirke ich in meinem fleckigen Nachthemd abwechselnd seltsam mager und merkwürdig durchtrainiert.
Im Keller ist es angenehm kühl. Die Gedanken zirkulieren in ausufernden Bahnen und regen ein wenig zum Verweilen an, indem sie den Irrglauben an die Schönheit des Momentes säen, hätte man sich versehentlich ausgesperrt und sei nun genötigt, hier unten, im unterkühlten Kellergewölbe, zu übernachten. Ich bin erneut unverhältnismäßig verärgert darüber, dass man zum Aufschließen der meterdicken Waschraumtüre unweigerlich beide Hände benötigt. Dabei ist es doch ein so schönes Gefühl, schafft man es, selbst relativ widerspenstige Türen, durch geschicktes Drehen und Ziehen des Schlüssels im Schloss, einhändig zu öffnen, während man in der anderen Hand – zum Beispiel – lässig schwere Lasten balanciert.
Wieder oben angekommen, lese ich die letzten Seiten vom Liebesleben der Hyäne und schaue dem Himmel beim langsam blau oder grau oder gold werden zu; schlafe irgendwann dann, ohne es zu merken, ein, noch ehe ich abschließend sagen kann, was denn jetzt genau von alledem.