Dienstag, 14. April 2020

Ein Tag in Bonn

Der Sonntagmittag rinnt die Dächer der Stadt entlang,
taucht die Welt in sattes Frühlingslicht,
lässt den Raum vor lauter Tatendrang pulsieren;
jeder meiner Muskeln spannt
– Du nimmst den Hörer ab und sagst:
»Bis gleich, mein Liebster!«

Ich fühle mich eigenartig wohl in meiner Haut:
Ich strecke mich.
Ich rasiere mich.
Ich wasche mich.

Ich verstecke mich
im Schatten des Hauseingangs
vor dem gewaltigen Gefühl,
Dir nah zu sein

– bis die Tür aufgeht:
Der schöne Schwung Deiner Augen.
Die Schwärze Deines Rocks.
Die verzierten Träger Deines Oberteils.
Die Schnüre Deiner Schuhe
an den Unterschenkeln:
Mein Blick bleibt unbeholfen kleben
– und alles gerinnt zu der Gewissheit:
Es ist gut, zu leben.

Wir laufen durch die Allee der Hofgartenanlage,
mein Arm auf Deiner Schulter.
Wir sitzen am Rhein.
Wir essen Eis.
Du isst mein Eis.
Du lachst
– und ich
bin glücklich.

Dann liege ich wortlos neben Dir im Bett,
beobachte,
halb im Geheimen,
wie Du ein Foto von den lackierten Nägeln
und den Abdrücken der Schnüre
auf den blassen Beinen
machst
– und träume,
noch ganz,
ohne
zu schlafen.