Samstag, 11. April 2020

Geborgenheit

Früher,
wenn man morgens wach wurde,
und der Elternteil
bei dem man gerade lebte
noch träge seinen Rausch ausschlief,
da gab es etwas wie Geborgenheit:
nachdem man lautlos ins Wohnzimmer geschlichen war,
dort Fernseher und Videospielkonsole angeschaltet hatte,
und dann, für ein paar Stunden,
endlich friedlich träumen durfte,
weil man wusste, dass – zumindest hier –
am Ende das Gute, die Freundschaft und
die Gerechtigkeit gewinnen.

Plötzlich sagt mein Webcam-Therapeut,
das digitale Haupt in Sorgenfalten eingehüllt:
»Aber, Herr Vanitas, bei aller Liebe:
Es ist dann ja auch kein Wunder,
dass Sie, noch immer, fünfzehn Stunden täglich
auf den grellen Bildschirm starren
– selbst wenn Sie nicht mehr trinken
und auch sonst, gewiss, sehr vorbildlich Ihr Leben leben!«

Da lache ich, ganz schwach und müde,
wechsle das bunt blinkende Bildschirmfenster
zurück zu Videos von tanzenden Katzen
oder spannenden Abenteuern
– und träume ein paar Stunden
meinen alten Traum von der Geborgenheit.