Montag, 3. Februar 2014

Schon wieder Wochenende

Ich hab mich verlaufen.
Aber nicht auf die positive, die verträumte, eskapistische Art. Nix da mit Alice oder Wunderland.
Es ist schlichtweg niemand mehr da, den ich nach dem Weg fragen kann. Und jetzt stehe ich hier, mit leerem Blick und zerrissenem Shirt. Eine schwüle Brise streicht an meinem Kopf entlang und am schwarzen Himmel brodelt wütend der Donner. Schluss mit Lustig, gleich ist hier die Hölle los.
Ich stehe mitten auf diesem gottverdammten Feld. Ohne einen einzigen Baum, ohne schützende Kuhle. Nichts da mit Deckung suchen oder unterstellen. Die elektrisierte Nachtluft knistert und meine Nackenhaare stellen sich auf. Jeder Muskel angespannt, die Augen fest zusammengekniffen,
gleich war's das mit mir.
Gleißendes Licht, ein lauter Knall, platzendes Trommelfell, ein explodierendes Herz, kochendes Blut –
und dann war's das mit mir, Ende vom Lied. Dann bleibt von mir nix übrig, außer Staub
Ich hätte mir Socken und eine lange Hose anziehen sollen, diese scheiß Wiese ist komplett nass. Jetzt stinken meine Füße und diese widerwärtig langen Grashalme kitzeln so ätzend an den Schienbeinen. Gott, wie ich den Sommer hasse! Man träumt von Sandstränden, Joghurteis und hübschen Frauen in kurzen Röcken. Und was kriegt man?
Hitze, Gestank, Kopfschmerzen und Albträume!
Ich hebe vorsichtig das Lid meines rechten Auges... Toll!
Dieser kleine Monolog hat natürlich nicht dazu geführt, dass sich meine Umgebung von alleine in das bunte Wunderland verwandelt, in dem ich jetzt gerne wäre. Das Feld ist noch genauso leer wie vorhin und Angst davor, vom Blitz getroffen zu werden habe ich  auch immer noch.
Wenn ich mich so umschaue, sieht die Lage alles in Allem schon eher hoffnungslos aus:
Ich muss ganz sicher jetzt gleich sterben, ganz bestimmt, deswegen fühle ich mich auch so komisch. Natürlich fühlt man sich komisch, kurz bevor man stirbt. Wäre ja auch komisch, wenn man sich kurz vorher absolut normal fühlen würde. Jetzt hab ich den Salat.
Das kommt davon, wenn man meint, die gewohnten Bahnen verlassen zu müssen, um sich etwas ''Inspiration'' zu holen, so ein Schwachsinn! Rückblickend betrachtet war doch eigentlich alles ganz okay. Nur ich hatte natürlich Lust zu jammern, wollte den ''Großen Neuanfang'' starten und kopflos nach vorne rennen, Hauptsache Zukunft. Als ob alles gut werden würde, bloß weil man beschließt, sich von der Vergangenheit zu trennen. Lektion des Tages: Das Unglück lauert auf allen Zeitebenen.
Fuck, und pissen muss ich auch noch!
Manchmal hasse ich mich wirklich selbst, was für ein abgefuckter Freitagabend.
Normale Menschen dröhnen sich zu, gehen feiern oder ficken wenigstens. Und ich, was mache ich?
Ich stehe schweißdurchnässt mit stinkenden Füßen und einem Puls von hundertachtzig auf einem komplett leeren Feld irgendwo im Nirgendwo und muss pissen wie ein Pferd. Ja geil!
Ich kann meine Blase jetzt nicht einfach so hier entleeren. Viel zu großes Risiko in genau dem Moment vom Blitz getroffen zu werden. So soll man mich nun wirklich nicht finden. Mit ein wenig Würde abzutreten ist ja wohl das Mindeste, was selbst mir noch vergönnt sein sollte!
Moment mal, da ist doch jemand.
Wenn ich meine Augen ein wenig zusammenkneife und den Kopf etwas schräg halte, erkenne ich da etwas am Horizont.
Eindeutig, da ist jemand.
Ich spüre wie die Euphoriewallungen pulsierend, vom Bauch aus, durch die Wirbelsäule hindurch und direkt in die Mitte vom Hirn hinein emporsteigen und dieses angenehme Kribbeln verursachen, das man auch manchmal vom ersten Schluck kaltem Bier bekommt, obwohl man noch gar nicht betrunken ist.
Okay, du hast jetzt ein Ziel, es wird Zeit sich zu bewegen, also reiß dich zusammen! Ein Fuß vor den anderen setzen. Na also, geht doch! Ich wette, ich hab Mundgeruch. Fuck, und natürlich wieder keine Kaugummis dabei. Na ja, was soll's, ich bin ja trotzdem hübsch, auch wenn ich stinke.
Ich spüre wie meine Schuhe die Grashalme plattdrücken und stelle mir vor, wie die auf ihnen lebenden Insekten schockiert um ihr Leben fliehen, weil ein manischer Hühne ihr Zuhause zerstampft.
Ich merke, wie ich mit jedem Schritt in deine Richtung schneller werde.
Unstillbare Gier flammt auf, irgendwo zwischen Hirn und Herz.
Langsam aber sicher wird mir bewusst, was hier abläuft, doch ich habe längst verstanden, dass ich mich jetzt nicht mehr umdrehen kann.
Du öffnest langsam deine Augen.
Einen kurzen Moment herrscht absolute Stille und man könnte meinen, ein trügerisches Gefühl von Ruhe würde die ganze Szene umschließen. Doch es kommt, wie es kommen muss,
gleißendes Licht, schwarze Haare, ein lauter Knall, schneeweiße Haut, ein platzendes Trommelfell, blutrote Lippen, ein explodierendes Herz, unendliche Augen, kochendes Blut und ein Kuss von dir.
In der Sekunde, in der ich vom Blitz durchbohrt werde, wird mir zum ersten und letzten Mal voll und ganz bewusst, wie hoffnungslos verliebt ich in dich bin
Ich sterbe lachend.